„Du bist schwul“, „die Wand hier is‘ schwul“, „Deine Mudda is‘ schwul“ – dabei ist „schwul sein“ gar keine Beleidigung, sondern einfach nur eine sexuelle Orientierung, die Marlon (17) in einer langen Findungsphase schließlich für sich akzeptiert hat. Während es jedoch für ihn einfacherer war, festzustellen, wie er ist und was er will, musste Justin (17) einen längeren Prozess überwinden, bei dem er letztendlich herausfand, dass er pan- und transsexuell ist und deswegen Justin genannt werden möchte, obwohl er biologisch gesehen noch weiblich ist. Bei unserem Treffen mit den beiden im Café konnten wir mehr über ihr Leben mit ihrer Sexualität erfahren.
Dieses „Anderssein“ wird von vielen Leuten auch heute noch nicht wirklich akzeptiert, was wir auch an diesem Tag selbst mitbekommen haben: die abwertenden Blicke, die uns oft genug zugeworfen wurden und Beleidigungen innerhalb des Cafe´s („Da sitzen ja zwei Schwule“) verblüfften uns. Doch das schreckte uns nicht ab, denn jetzt wollen wir die Leute erst recht auf das Thema aufmerksam machen. Gerade wegen dieser Reaktionen war es für die beiden von Anfang an nicht immer leicht, offen mit dem Thema umzugehen.

Bloß nicht auffallen?!
Das ging so weit, dass Justin, der zu dieser Zeit noch ein Mädchen war, sogar eine Scheinbeziehung mit einem Jungen einging, um zu vertuschen, dass er eben nicht nur auf Jungs steht. Anders als Justin outete Marlon sich jedoch als bisexuell, da das in der Gesellschaft besser angesehen wird, als homosexuell zu sein. Zudem versuchte er, mit Hilfe einer Sonnenbrille seine Blicke zu verbergen, die eben nicht auf weibliche Kurven, sondern auf Jungen gerichtet waren. Diese Beispiele gehören zur „Scheinphase“, in der sie so taten, als wären sie wie die meisten anderen auch.
Verständnisvoll oder doch abgeneigt?

In der nächsten Zeit wurden die beiden offener und trauten sich schließlich, sich zu outen: zuerst vor der Familie, dann vor Freunden. Marlons Mutter reagierte gelassen („Okay, gut – aber was ist dann mit Enkelkindern?“) und auch seine Oma hatte kein Problem damit („Ach ja, mein Cousin ist auch schwul.“). In der Schule hingegen kamen nicht alle damit klar, doch seine Klasse stand immer hinter ihm und setzte sich für ihn ein, wenn ihn aufdringliche Fremde bedrängten. Da über ihn und sein Outing so viel gelästert wurde, trauten sich auch andere nicht, sich zu outen, aus Angst vor den Reaktionen der anderen. Nachdem er jedoch die Schule für eine neue Fachrichtung gewechselt hatte, wurde er so stark gemobbt, dass er nicht mehr wusste, wie er der Situation entfliehen sollte und versuchte, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Mittlerweile ist er sehr glücklich in seinem Beruf als Schulbegleiter und wird von seinen Kollegen auch akzeptiert. Dennoch schauen ihn manche Leute auch jetzt noch merkwürdig an, da er durch sein auffälliges Aussehen mit lackierten Fingernägeln, Schminke und Ohrringen Blicke auf sich zieht.
„Solange Du glücklich bist!“

Auch Justins Eltern haben verständnisvoll auf die Nachricht reagiert, dass er eben nicht nur auf Jungen steht und pansexuell ist („Solange du glücklich bist, haben wir nichts dagegen.“). Als er dann schließlich seiner Oma erzählte, dass er transsexuell ist, reagierte diese zuerst skeptisch und fragte doch tatsächlich, ob er sich wirklich sicher dabei sei. In der Schule wurde er aber nicht von allen akzeptiert. Seine Englischlehrerin war zum Beispiel nicht damit einverstanden, ihn mit seinem neuen Namen anzusprechen und weigerte sich, ihn Justin zu nennen, da sein neuer Name eben noch nicht so im Pass steht.
Das wünscht sich doch eigentlich jeder
Justin ist sich jedoch sicher, dass er bald seinen Pass ändern und mit einer Hormonbehandlung anfangen möchte. Dafür benötigt er aber viele Gutachten, was seiner Meinung nach zu viel Aufwand ist. Deshalb wäre es gut, dass sich an der Gesetzgebung etwas ändert, um es Transsexuellen leichter zu machen, damit dieser Schritt zügiger durchgeführt werden kann und auch alle sich endlich in ihrem Körper wohlfühlen können. Denn das wünscht sich doch eigentlich jeder Mensch – egal ob hetero, homo, bi, pan oder ähnliches.
Und wenn Leute so intolerant sind, dass sie Menschen den Weg zum Glücklichsein versperren wollen, obwohl sie diese nicht einmal kennen und überhaupt keine Ahnung von dem haben, wie sie sich fühlen, dann ist das einfach nur herzlos und dreist.
Wir sollten uns gegenseitig akzeptieren und nicht übereinander herziehen, nur weil wir möglicherweise eine andere Meinung vertreten oder eben anders fühlen.
Behandelt die anderen so, wie auch ihr gerne behandelt werden würdet.
Leonie und Maja
Alle Jugendlichen, die sich selbst als schwul, lesbisch, bisexuell, transsexuell, pansexuell oder sonst wie definieren – oder sich vielleicht noch nicht ganz sicher sind – können sich an die Jugendgruppe Queer-Bad-Hersfeld wenden.
Dafür muss man noch nicht geoutet sein und auch keine Angst haben, durch den Besuch der Jugendgruppe geoutet zu werden.