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Das ist mir Wurst!


Atemnot, ein Gefühl des Erstickens und erst dann verlierst du langsam dein Bewusstsein – vor etwa sechs Monaten hat mit dem Tag deiner Geburt alles begonnen:


In den ersten Tagen deines Lebens musst du bereits eine Kastration, das Kürzen deines Schwanzes und das Abschleifen deiner Eckzähne über dich ergehen lassen . Die Phase, in der dich deine Mutter säugt, verbringt sie in einem engen Gitterkäfig, der ihr das Umdrehen und so das Erdrücken von dir und deinen zwölf Geschwistern verhindert, bis du schließlich nach circa vier Wochen vollständig von ihr getrennt wirst und in den nächsten zwei Monaten auf einer Fläche von einem Quadratmeter lebst, den du dir mit vier weiteren deiner Art teilen musst. Dieser eine Quadratmeter steht dir bald allein zur Verfügung, was jedoch kaum genug ist, um dich umzudrehen oder hinzulegen, da du innerhalb von sechs Monaten durch spezielles Kraftfutter und mangelnde Bewegung auf ein Gewicht von 120kg gemästet wirst, wobei dein Untergrund ein Vollspaltboden darstellt. Ein weiteres Problem, das eigentlich durch die Eingriffe in den ersten Tagen deines Lebens verhindert werden sollte, das du aber trotzdem täglich miterleben musst, ist der Kannibalismus: Verwundete Tiere werden von den eigenen Artgenossen aufgefressen, da durch die gewaltige Anzahl an Tieren in deinem Stall und die daraus resultierende Einschränkung der Bewegungsmöglichkeit keine natürlichen Verhaltensweisen wie Rangordnungen ausgebildet werden können, was immer wieder zu Frustrationen, Stress und Kämpfen untereinander führt. Und dann ist es so weit: Nach etwa sechs Monaten wirst du über eine weite Strecke zusammen mit anderen zu einem Schlachthof transportiert, in dem du mit CO2 betäubt wirst. Durch das einströmende Gas hyperventilierst du: Atemnot, ein Gefühl des Erstickens und erst dann verlierst du langsam dein Bewusstsein. Deinem Schlachter bleiben nur wenige Sekunden, um dir die Schlagader zu durchtrennen: Er verfehlt sie, weshalb du nicht endgültig ausbluten kannst, im Brühbad wieder aufwachst und dein Schweinekörper bei lebendigem Leib verbrüht wird (1), (2).



31 536 000 Sekunden in einem Jahr - 759 000 000 geschlachtete Tiere in Deutschland


In Deutschland wurden im Jahr 2020 circa 24 Tiere pro Sekunde geschlachtet. 98% stammen dabei aus der sogenannten „Massentierhaltung“. Zwar gibt es keine einheitlichen Kriterien, die festlegen, ab wann von „Massentierhaltung“ gesprochen werden darf, und man sieht es natürlich auch keinem Produkt direkt an, unter welchen Bedingungen das Tier gehalten wurde, jedoch sind es die niedrigen Preise, die etwas über das Leben der Tiere erzählen. Wenn wir die eingeschweißte Salami für 1,10 Euro in unseren Einkaufswagen packen, müsste uns allen eigentlich bewusst sein, dass dieses Tier kein artgerechtes Leben gehabt haben kann. Dabei macht nicht jedes Tier die oben beschriebenen Erfahrungen durch, da es zunächst auf die Art des Tieres und zusätzlich auch auf den Betrieb ankommt. Doch heute ist es zur Gewohnheit geworden, dass Betriebe Nutztiere in Großbeständen halten, um möglichst geringe Kosten zu haben, wodurch die Bedürfnisse der Tiere weit in den Hintergrund rücken.



Wenn Hühnerknochen deformieren


Im Fall des Geflügels sind Betriebe mit zehntausenden Masthühnern oder Puten keine Seltenheit mehr. Bei einer solch immensen Anzahl an Tieren ist eine tierärztliche Versorgung umso schwieriger, weshalb vor allem beim Geflügel die toten Tiere aussortiert werden. Dabei stellt das beispielweise aus Mais oder Soja bestehende spezielle Kraftfutter ein großes Problem dar, da es einen enormen Wachstum von Muskeln und Fett verursacht. So kommt es dazu, dass Fett und Muskeln schneller wachsen als das Skelett, wodurch dieses verformt und das Tier stark beeinträchtigt wird (3), (4).




Mehr Fläche für tierische als für pflanzliche Lebensmittel?


Abgesehen von den grausamen Folgen für die Gesundheit der Tiere beansprucht eine solche Tierhaltung eine immens große landwirtschaftliche Nutzfläche, da zu den Weideflächen zusätzlich noch eine deutlich größere Fläche für den Anbau von Futter benötigt wird. Dabei ist Deutschland eines vieler Länder, die ihren Bedarf an Futtermitteln nicht im eigenen Land decken können, sondern aus anderen Ländern importieren müssen. Auf diesen Flächen im Ausland können aber die eigenen Bewohner:innen des Landes keine Nahrungsmittel für sich selbst anbauen, weshalb beispielweise Regenwälder gerodet werden müssen, was wiederum Schäden für das Klima durch das Freiwerden des in den Böden gespeicherten Kohlenstoffdioxids (CO2) oder auch soziale Auswirkungen wie Hunger oder Flucht mit sich trägt (5).

Vergleichen wir den Flächenbedarf von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln, so fällt auf, dass tierische Produkte also indirekt eine wesentlich größere Fläche benötigen. Würden wir aber unseren Fleischkonsum verringern, alle Nutztiere verschwinden lassen und Nahrungsmittel direkt verwenden, anstatt sie zu verfüttern, würde uns eine Fläche zur Verfügung stehen, die größer ist als ganz Afrika.  Somit wäre zwar weniger Fleisch, jedoch ein erheblich größerer Anteil an Nutzpflanzen vorhanden, wodurch wir die vorhandenen Ressourcen besser nutzen und mehr Menschen ausreichend Nahrung zur Verfügung haben könnten (6).



Klimakiller Fleisch


Zudem prognostiziert eine Studie aus Amerika, dass bis zum Jahr 2050 durch eine rein pflanzliche Ernährung aller Menschen die durch Lebensmittel verursachten Treibhausgasemissionen bis zu zwei Drittel des eigentlichen Referenzszenarios reduziert werden könnten. Zu dem durch Umwandlungen der Böden freiwerdenden CO2 gibt es viele weitere klimaschädliche Faktoren, welche durch das Halten einer solch großen Anzahl an Nutztieren entstehen. Das während der Verdauung bei Wiederkäuern als auch bei der Lagerung von Düngemitteln wie Gülle entstehende Methan ist sogar klimaschädlicher als Kohlendioxid und auch das Lachgas, das häufig von mineralischen Stickstoffdüngern stammt, ist viel schädlicher als CO2. So wird auch klar, warum bei einem Kilogramm Rindfleisch das 10- bis 40-fache (klimaschädliche Gase mit einberechnet) eines Kilogramms Mischbrot an CO2 entsteht (7).


Warum auch wir gefährdet sind


Wenn wir bei dem einen Kilogramm des Rindfleisches bleiben und den dabei entstehenden Wasserverbrauch anschauen, liegt dieser mit 15.000 Litern 60-mal höher als der eines Kilogramm Kartoffeln. Aber nicht nur der Wasserverbrauch ist immens, sondern auch die Trinkwasserverschmutzung: Gerade, wenn in großen Betrieben massiv Antibiotika zum Verhindern von Krankheitsausbrüchen eingesetzt werden, steigt die Wahrscheinlichkeit auf widerstandsfähige Keime. Solche Keime gelangen durch das auf die Felder transportierte Gülle auch in das Grundwasser – und nicht nur das: Auch durch unseren Fleischkonsum und ebenfalls durch Gemüse, das eben mit den Ausscheidungen der Tiere gedüngt wird, erreichen uns die von den Tieren entwickelten antibiotikaresistenten Keime, ohne dass wir es bemerken. So kann es dazu kommen, dass unser Körper eine Resistenz gegen ein oder mehrere Antibiotika entwickelt und es uns so bei einer Krankheit nicht mehr hilft. Man sieht also, dass ein zu hoher Fleischkonsum auch negative Folgen für die eigene Gesundheit haben kann (8).



Der Artikel ist nur ein kleiner Überblick zum Thema des Fleischkonsums und es gibt noch so viel mehr, über das eigentlich intensiver berichtet werden müsste. Trotzdem steht eines fest: Durch unser Konsumverhalten bestimmen auch wir in gewisser Weise, wie die Haltung von Tieren erfolgt. Damit diese artgerechter wird, muss es wirklich faire Preise geben. Kaufen wir jedoch weiterhin ignorant Billigfleisch, unterstützen wir eine Art der Haltung, die weder für die Tiere noch für uns selbst von Vorteil ist. Wenn wir also das nächste Mal die Salami für 1,10 Euro in unseren Einkaufswagen packen, sollte uns das nicht Wurst sein, sondern wir sollten vorher darüber nachdenken, ob es nicht andere Möglichkeiten, wie Metzgereien, gibt, um den eigenen Fleischbedarf zu decken oder ob es nicht sogar eine Alternative gibt, auf die wir zurückgreifen können.



Seit dem ersten Januar 2021 gibt es ein Gesetz, welches Ferkelkastrationen hier in Deutschland nicht mehr ohne Betäubung zulässt, weshalb eine Veränderung im Artikel vorgenommen wurde. Doch noch im letzten Jahr durften auch Kastrationen ohne Betäubung durchgeführt werden.



 

Johanna


Quellen:

(1) Mastschweine leiden in der Massentierhaltung | ProVeg Deutschland

(2) Betäubung beim Schlachten: Wie Schweine leiden | NDR.de - Ratgeber - Verbraucher

(3) Was ist Massentierhaltung? (tierschutzbund.de)

(4) Massentierhaltung: Herzinfarkt auf dem Bauernhof - [GEO]

(5) BUND schildert Folgen der massiven Soja-Importe | top agrar online

(6) Das würde passieren, wenn die Welt aufhören würden, Fleisch zu essen - WELT

(7) BMEL - Klimaschutz - Landwirtschaft und Klimaschutz

(8) Antibiotika-Einsatz (tierschutzbund.de)

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