Liebe Leser - ach nein, da fehlt noch was. Liebe Leserinnen und Leser - ne, das ist zu lang. Liebe Leser_innen - sieht komisch aus. Liebe LeserInnen - wo ist jetzt das i? Liebe Leser/-innen - ein paar viele Zusatzzeichen, oder? Liebe Lesende - wer redet denn so? Liebe Leser*innen - joa, passt vielleicht schon eher. Also: Liebe Leser*innen, als wir vor Kurzem dabei waren, einen Artikel zu schreiben, kam auch bei uns das umstrittene Thema auf: Gendern wir oder gendern wir nicht? Immerhin sind wir eine Schülerzeitung - wir kommunizieren über unsere Texte und wollen möglichst alle gleich behandeln - ganz egal ob weiblich, männlich oder divers. Wäre es dann nicht auch angemessen, zu gendern? Auf der einen Seite hieß es: "Das ist doch alles viel zu aufwändig und außerdem auch total unnötig!", während die andere Seite meinte: "Wir müssen aber lernen, unsere Sprache so zu gestalten, dass wir alle berücksichtigen!" - beides nachvollziehbare Argumente und doch war die Diskussion noch lange nicht beendet.
Aber was bedeutet „gendern“ überhaupt?
In unserer Sprache nutzen wir hauptsächlich die männliche Form eines Wortes, wie zum Beispiel "Schüler", "Lehrer" oder "Arzt", während sich Frauen und Mädchen einfach "mitgemeint" fühlen sollen. Wenn nun eine Personengruppe mit der männlichen Form bezeichnet wird, nennt man dies das generische Maskulinum, welches als Oberbegriff für alle Geschlechter dienen soll. Den einen reicht das generische Maskulinum aus - den anderen aber eben nicht. Sie fordern, dass Frauen und alle Geschlechter in der Sprache sichtbar werden: Und zwar indem wir statt von "Schülern" von "Schülerinnen und Schülern" oder "Schüler*innen" schreiben und sprechen, was man als geschlechtergerechte Sprache oder eben als gendern bezeichnet. Damit alle Geschlechter mitgemeint werden, nutzt man meistens die Schreibweise mit dem Gendersternchen (Schüler*innen) oder mit dem Gender Gap (Schüler_innen). Viel zu kompliziert, sagen wiederum die anderen. Wieso sollte man so umständlich schreiben und reden, wenn doch eh schon alle durch das generische Maskulinum mitgemeint werden? Das Problem ist jedoch, dass sich zwar die anderen Geschlechter mitgemeint fühlen sollen, aber eben nicht mitgedacht werden - und das wirkt sich auch auf unsere Denkweise aus: Wenn wir von einem "Arzt" sprechen, denken wir automatisch an einen Mann in weißem Kittel mit Stethoskop und nur selten an eine Frau. Sprechen wir von einer Kindergärtnerin, dann denken wir an eine weibliche Person und eben nicht an einen Mann. Und genau das sollte sich ändern. Denn Sprache prägt unser Denken - und wenn wir nicht "gerecht" sprechen, können wir auch nicht wirklich "gerecht" denken.
"Wenn man gendert, denkt man die Gleichberechtigung direkt mit. Ist das irgendwann selbstverständlich, schafft es Gerechtigkeit [...]"
Klaas Heufer-Umlauf, TV-Moderator, im Interview mit der FAZ
Und genauso ist es - sprechen wir zum Beispiel mit Kindern von klein auf nur von einem "Arzt" oder einer "Kindergärtnerin", so werden schon da Geschlechterbilder konstruiert, die wahrscheinlich das ganze Leben prägen können. Zudem kann geschlechtergerechte Sprache das Selbstvertrauen von Kindern stärken, auch traditionell männliche Berufen ausüben zu können (Quelle).
Aus diesen Gründen hat sich unsere Redaktion dazu entschlossen, ab sofort in den kommenden Artikeln eine möglichst geschlechtergerechte Sprache zu verwenden.
Natürlich ist es erst einmal ungewöhnlich, wenn plötzlich in vielen Texten die Gendersternchen auftauchen, wir von "Studierenden" reden oder beim Sprechen eine kurze Pause machen ("Schüler...innen"). Und trotzdem ist es wichtig, um starre Geschlechterbilder aus den Köpfen zu verbannen und so etwas mehr Gleichberechtigung zu schaffen. Durch eine angepasste Sprache werden wir selbstverständlich nicht alle Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern aus der Welt schaffen können, jedoch ist es ein erster, kleiner Schritt, um wenigstens im sprachlichen Gebrauch nicht nur einseitig zu denken.
Wir verlangen nicht, die deutsche Nationalhymne umzuschreiben und "brüderlich" durch "couragiert" auszutauschen (Stichwort "Genderwahn"), aber es ist nicht zu viel verlangt, im Alltag kleine Änderungen im Sprachgebrauch vorzunehmen.
Außerdem wird die Verständlichkeit nicht beeinträchtigt, wenn gegendert wird - die Ausrede zu nutzen, dass gegenderte Sprache unverständlich sei, ist somit unbegründet (Quelle).
Gendern schadet also niemandem, sondern trägt nur dazu bei, die Gesellschaft gerechter zu gestalten - also warum sollten wir es nicht tun?
Redaktion
Eine aufmerksame Leserin hat uns darauf hingewiesen, dass die Doppelpunktschreibweise (Schüler:innen) auch in der unterstützen Kommunikation für sehbeeinträchtigte Personen vorgelesen werden kann, weshalb wir hinsichtlich unserer Online-Präsenz ab Februar 2021 auf die Doppelpunkt-Schreibweise umgestiegen sind. Artikel mit der Stern-Schreibweise wurden daraufhin von uns überarbeitet und aktualisiert.