Herr Dr. Karpa ist seit seinem Referendariat insgesamt sechs Jahre Lehrer an der Jakob Grimm Schule und unterrichtet die Fächer Deutsch, Geschichte und Ethik. Er ist außerdem Klassenlehrer der G8c. Im Interview mit ihm haben wir über seine eigene Schulzeit, Notenvergabe und enttäuschende Unterrichtsstunden gesprochen.
Herr Karpa, wer ist Ihnen lieber: Schleimer:in oder Klassenclown?
Sowohl als auch – ich habe sie alle gern. Man soll ja grundsätzlich keine Schüler nach Sympathie bewerten und das würde ich jetzt tun, wenn ich sagen würde, dass ich einen Schleimer lieber mag als einen Klassenclown – oder umgekehrt. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass die Klassenclowns wesentlich häufiger sind als die Schleimer - wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich eher den Klassenclown bevorzugen.
Lieber Geschichte oder lieber Deutsch?
Das ist einfach. Geschichte.
Zurück zu Ihrer eigenen Schulzeit: Wie waren Sie selbst als Schüler?
Ich glaube, fachlich war ich relativ unauffällig. In Geschichte war ich tendenziell schon deutlich besser als in Deutsch und Deutsch war auch nicht meine erste Studienfachwahl: Ich wollte eigentlich PoWi und Geschichte studieren, aber mein damaliger Lehrer hat mir dann davon abgeraten, da man als Deutschlehrer auch besser als Klassenlehrer eingesetzt werden kann, weil ich die Kinder dann viel häufiger sehe.
Wenn Sie heute für einen Tag nochmal Schüler wären, was würden Sie dann machen?
Ich habe so viele schöne Ereignisse in meiner Schulzeit erlebt, dass man das nur schwer beantworten kann. Aber der Abistreich war sicherlich ein Highlight und das würde ich auch gern nochmal miterleben.
Wenn Sie heute Schüler wären und Sie selbst als Lehrer hätten – wie würden Sie dann als Schüler über Sie als Lehrperson denken?
Ich glaube, dass ich manchmal zu streng bin und dass mich auch viele Schüler so sehen. Ich versuche aber, das wieder durch eine gewisse Lockerheit auszugleichen.
Wollten Sie denn schon immer Lehrer werden?
Während meiner Schulzeit war es eigentlich mein großer Traum, in den Forstdienst zu gehen. Allerdings waren damals die beruflichen Perspektiven äußerst schlecht und da ich mich auch sehr heimatverbunden fühle, wollte ich dann nicht unbedingt in eine andere Region versetzt werden. Wegen dieser Perspektivlosigkeit habe ich mich nach meinem Wehrdienst dazu entschlossen, Lehrer zu werden.
Ich bin wirklich gern zur Schule gegangen und man muss ja auch sagen, dass man ein bisschen heimatlos wird, wenn man die Schule verlässt und man hat eben die Hoffnung, irgendwie wieder nach Hause zu kommen.
Auch wenn das im Lehrerberuf etwas anderes ist, wenn man dann auf der anderen Seite des Lehrerpults sitzt: Das merkt man aber später im Referendariat oder im Praktikum.
Was mögen Sie am meisten an Ihrem Beruf?
Natürlich ist die Zusammenarbeit mit jungen Menschen und meinen Kollegen toll. Es ist beeindruckend, die Lebensläufe der Schüler mitbegleiten und deren Entwicklungen sehen zu können. Außerdem mag ich am Lehrersein auch die fachliche Perspektive: Gerade für Geschichte interessiere ich mich sehr und es macht mir viel Spaß, dieses Wissen zu vermitteln.
Wie und womit verbringen Sie Ihre Pausen?
Entweder bin ich bei der Aufsicht, im Lehrerzimmer oder hole etwas in der Medienausleihe.
Wird denn im Lehrerzimmer über Schüler:innen gelästert?
Man bekommt ja nicht viel mit, weil wir da an Gruppentischen sitzen. Aber wir lästern nicht. Klar, man tauscht sich schon aus und erzählt sich Anekdoten aus dem Unterricht, aber das kann man nicht als Lästern bezeichnen.
In welchem Alter sind die Schüler:innen am nervigsten?
Ich habe da zwar noch wenig Erfahrung, aber die mittlere Mittelstufenzeit ist manchmal schon sehr anstrengend. In der 5. Und 6. Klasse geht das noch sehr gut, aber das ändert sich dann. Der Unterricht in der 7.-9. Klasse kann je nach Klasse sehr anstrengend sein. In einigen Klassen läuft das sehr gut, in anderen eher nicht so. Aber in der Oberstufe kann man mit heranwachsenden oder fast erwachsenen Menschen wieder richtig gut arbeiten.
Gibt es Klassen, in denen Sie gern unterrichten oder welche, in denen Sie sogar Angst haben, zu unterrichten?
Also Angst hatte ich glücklicherweise noch nie. Man hat natürlich Klassen, in denen es besser oder schlechter läuft und irgendwann weiß man auch, was man von der Klasse verlangen und was man mit den Kindern machen kann oder nicht. Gerade die Corona-Zeit ist ein sehr großes Hemmnis, weil ich in Deutsch immer sehr viel über praktisches und eigenverantwortliches Arbeiten unterrichtet habe. Diesbezüglich sind uns aktuell ja strikte Vorgaben gemacht und das ist für mich gerade eine große Belastung.
Wachsen Ihnen manche Schüler:innen ans Herz und sind Sie manchmal traurig, wenn einige Jahrgänge die Schule verlassen?
Auch wenn ich das noch nicht so häufig erlebt habe, ist es trotzdem so, dass man doch noch zu dem ein oder anderen Kontakt aufrechterhält. Mit meinem Geschichtskurs, der dieser Jahr Abitur gemacht hat, haben wir uns auch schon mal wieder privat getroffen und das war auch ganz lustig.
Klar, es geht immer irgendwie weiter, aber man ist emotional schon dabei, weil ich mich dabei an meine eigene Schulzeit erinnert fühle.
Was war das Unfairste, was Sie je als Lehrkraft getan haben?
Wenn ich jetzt nachdenke, habe ich tatsächlich während meines Referendariats mit einer Note danebengelegen. Da habe ich eine Schülerin in der mündlichen Note bei einer Zwischenbilanz zu gut bewertet: Kurz vor der Notenbesprechung für die mündlichen Leistungen hatten wir eine Gruppenarbeit und ich habe diese Schülerin als sehr aktiv und elanvoll wahrgenommen und das eben stärker in die Note mit einfließen lassen. Dadurch habe ich zu wenig berücksichtigt, dass sie sonst eigentlich sehr wenig gesagt hat – sodass die Zwischenbilanz besser ausfiel, weshalb dann andere Schüler zu mir kamen und sich darüber beschwerten. In diesem Moment überlegt man natürlich erstmal und grundsätzlich vergleiche ich auch eigentlich keine Schülernoten – aber als ich nochmal weiter darüber nachgedacht habe, wurde mir doch klar, dass ich eine zu gute Note vergeben hatte.
Die Diskussion über die Gerechtigkeit von Noten ist nicht neu und beschäftigt Generation für Generation. Wie objektiv können Ihrer Meinung nach Noten vergeben werden?
Da gibt es ja schon verschieden Methoden, wie man eine Arbeit kontrolliert. Zum Beispiel das Blind-Verfahren: Man legt die Arbeit so hin, dass man beim Korrigieren den Namen nicht sehen kann. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass man bei kleinen Kursen in etwa einschätzen kann, wer welche Arbeit geschrieben hat und auch an den Schriften kann man es manchmal erkennen.
Grundsätzlich sind Noten ein heiß diskutiertes Thema – eine Notenabschaffung sehe ich aber auch problematisch, weil Noten eben eine gewisse Transparenz schaffen. Die Unis wären sehr überfordert, wenn es keine Noten mehr geben würde. Was mir im Referendariat aber aufgefallen ist, dass man den Lernprozess der Schüler von der Notenvergabe trennen muss. Das ist jedoch das große Problem – gerade bei mündlichen Noten ist man ja ständig am Bewerten, aber man muss sich auch davon frei machen. Ich versuche dann, wenigstens eine angenehme Lernatmosphäre zu entwickeln - dass man auch gerne in den Unterricht kommt, auch wenn einen das Fach vielleicht nicht so sehr interessiert, ohne ständig diesen Notendruck zu haben.
Noten sind auch nicht alles im Leben.
Stichwort Blind-Verfahren: Haben Sie denn eine bestimmte Routine beim Kontrollieren von Arbeiten?
Das ist unterschiedlich. Ich versuche eben, keine Routinen aufkommen zu lassen, damit ich objektiv bleiben kann. Wenn man schlechte Routinen hat, kann es schon sein, dass man die ganze Zeit nicht objektiv beurteilt. Also habe ich kein festes Schema beim Korrigieren. Manchmal schaue ich am Anfang auch erst in die kritischere Aufgabe an und gucke, ob die gut läuft oder nicht und ob ich mir dementsprechend etwas überlegen muss.
Und wenn es dann mal bei vielen nicht so gut lief - machen Sie sich dann bei einem schlechten Notenspiegel Gedanken darüber, ob es an den Schüler:innen oder am eigenen Unterricht liegt?
Man macht sich natürlich immer Gedanken darüber, was man falsch macht.
Wenn ich das nicht machen würde, hätte ich ein großes Problem. Kontrolliert man viele schlechte Arbeiten hintereinander, fragt man sich schon, was man falsch macht. Wenn man dann aber wieder die guten Arbeiten kontrolliert, ist man erleichtert.
Übersehen Sie dann ab und zu mal absichtlich einen Fehler?
Absichtlich nicht. Aber gerade in Geschichte gehen mir sicher Rechtschreibfehler durch die Lappen. Auch beim Schriftbild könnte ich das ein oder andere Mal noch Punkte abziehen, aber da sind für mich persönlich andere Sachen wichtiger. Jedoch gibt es auch Kollegen, die das ganz anders sehen (lacht).
Ich bin im Fach Geschichte deutlich sicherer, was vielleicht für die Schüler ein Nachteil sein mag, weil ich vermutlich in Geschichte höhere Ansprüche habe als in Deutsch.
Gibt es Klausuren, auf deren Korrektur Sie sich besonders freuen oder gibt es auch Klausuren, die Sievor sich herschieben?
Also Deutschklausuren sind für mich schon schwieriger zu korrigieren, als es bei Geschichtsklausuren der Fall ist. In Deutsch korrigiere ich gern die Grammatikarbeiten in der Mittelstufe – es gibt eben nur richtig oder falsch und der Aufwand beim Korrigieren ist da auch nicht ganz so groß. Gerade in der Oberstufe fällt mir die Korrektur von Deutscharbeiten schwer, wenn es um sehr komplexe Themen geht.
In Geschichte macht mir das deutlich mehr Freude, weil ich in dem Fach auch eine größere Expertise habe als in Deutsch. Ich bin im Fach Geschichte deutlich sicherer, was vielleicht für die Schüler ein Nachteil sein mag, weil ich vermutlich in Geschichte höhere Ansprüche habe als in Deutsch. Das war vielleicht auch der Grund dafür, dass ich im Examen in Geschichte immer deutlich schlechter beurteilt wurde als in Deutsch – weil ich in Geschichte mehr von den Schülern gefordert oder auch vorausgesetzt habe, während ich in Deutsch eben akribischer gearbeitet habe.
Was war Ihre furchtbarste Schulstunde als Lehrer und warum?
Eine furchtbare Stunde war im Nachhinein meine Examensstunde in Geschichte. Ich habe wirklich gedacht, eine richtig gute Stunde gemacht zu haben, weil die Klasse gut mitgearbeitet hat und ich auch meine Stundenziele erreicht habe – die Note, die ich bekommen habe, spiegelte das allerdings nicht wider.
In dem Moment konnte ich mich gar nicht darüber freuen, dass ich dieses verfluchte Examen bestanden habe, weil es für mich eine vollkommen ungerechtfertigte Note gewesen war.
Ich hatte außerdem mal eine Geschichtsstunde zum Thema Wiener Kongress in der achten Klasse. Mehrere Tage vorher habe ich mir eine unheimlich große Mühe gegeben, ein Arbeitsblatt zusammenzustellen, auf dem die ganzen wichtigen Staatsleute beim Wiener Kongress zusammensitzen. Die Schüler sollten dann in Sprechblasen die Denkweise der einzelnen Staatsmänner festhalten – und da kam so wenig bei rum, obwohl ich mir eine solch große Arbeit gemacht habe. Da war ich nach der Stunde so enttäuscht und zerschlagen, aber das muss man als Lehrer auch manchmal so hinnehmen.
Vielen Dank für Ihre ausführlichen und ehrlichen Antworten.
Das Interview führten Johanna und Sophie.