Meinung
Politik ist langweilig, ausdruckslos, viel zu kompliziert, nur was für alte Leute – das war in etwa meine Reaktion, wenn mir früher irgendwo das Wort Politik begegnete: In Zeitungen überblätterte ich den Politikteil möglichst schnell, bei Diskussionen über Politik in der Familie verdrehte ich nur genervt die Augen und mitreden konnte ich erst recht nicht, da es mich überhaupt nicht interessierte. Lange Zeit habe ich nie den Sinn darin gesehen, mich mit solchen Themen freiwillig auseinander zu setzen: was sollte ich schon ändern können und wer würde mir denn überhaupt zuhören, wenn ich mich mit solchen Themen befassen würde? Doch gerade zurzeit scheint wohl jeder zu merken: Politik ist anscheinend doch gar nicht so unwichtig - denn gerade wird unser ganzes Leben durch solche Entscheidungen so sehr geprägt, wie wir es vielleicht vorher als Jugendliche noch nie erlebt haben. Doch Politik ist und bleibt für einige vielleicht auch nach dieser außergewöhnlichen Krise immer noch all das: langweilig, ausdruckslos, viel zu kompliziert und nur was für alte Leute – trotzdem ist es wichtig, dass sich daran etwas ändert.
Politik nur für „Alte“?
Solche Einstellungen kann ich auch vollkommen nachvollziehen: Nicht bei allen Themen innerhalb der Politik können und wollen wir vielleicht mitreden und manchmal fand ich die Sprache der Politiker:innen auch so unverständlich, dass ich sie bei bestem Willen nicht verstanden hätte. Und da nun mal ein großer Teil der Wählerschaft zu der älteren Generation gehört, werden durchaus auch einige politische Themen eher an die Älteren angepasst, um dort Stimmen erreichen zu können (bei der Europawahl 2019 waren knapp 8% der Wahlberechtigten zwischen 18 und 24 Jahren alt, während allein die über-70-Jährigen einen Anteil von 21,5% ausmachten). Außerdem fehlen uns junge Abgeordnete, mit denen wir uns identifizieren können oder die die Anliegen der Jugend vielleicht ernst nehmen könnten: im Bundestag sind von 709 Abgeordneten etwa 32 Politiker:innen zwischen 28 und 34 Jahren alt (Quelle). Das sind 4,5 Prozent. Selbst mit den Nachwuchspolitiker:innen der Jugendorganisationen einzelner Parteien können viele von uns nichts anfangen, geschweige denn einzelne Vertreter:innen benennen.
„Wir alle sind politisch – ob wir wollen oder nicht“
Es scheint also kein Wunder zu sein, weshalb die Jugend „immer unpolitischer“ wird - sobald man dann nämlich noch frustriert feststellen muss, wie wenig sich scheinbar durch die Fridays-For-Future-Bewegung innerhalb der Klimaschutzpolitik geändert hat, fühlt man sich als junge Generation nun mal von der Politik nicht ernst genommen. Die Shell-Jugendstudie zeigt auch, dass die Zufriedenheit mit der Demokratie zwar einerseits ansteigt, aber viele junge Menschen andererseits mit der Politik unzufrieden sind, weil sie glauben, dass ihre Anliegen nicht ernst genommen werden würden.
Vielen von uns erscheint es daher also äußerst abwegig, sich noch auf die „klassische“ Art und Weise politisch zu engagieren, indem man einer Partei beitritt: Parteien seien viel zu groß, zu unüberschaubar und zu bürokratisch, als dass man als junge Person etwas verändern könne. Allerdings muss es vielleicht auch gar nicht ein „klassisches“ Engagement in einer Partei sein - wenn man dann aber anfängt, zu denken, man selbst hätte mit Politik nichts zu tun und könne auch nichts bewirken, dann ist das falsch. Sehr falsch sogar. Einige mögen das Wort „Politik“ also immer noch mit langweilig, uncool oder spießig in Verbindung bringen, aber letzten Endes sind wir alle politisch – ob wir wollen oder nicht, denn politisches Engagement kann so vielschichtig sein, dass wir manchmal gar nicht mitbekommen, dass wir uns schon für etwas einsetzen (Möglichkeiten zum Engagieren findet ihr am Ende des Artikels).
Selbst die kleinen Dinge können etwas bewegen
Politisch sein fängt nicht erst dann an, wenn man einer Partei auf Instagram oder Facebook folgt.
Politisch sein fängt auch nicht erst dann an, wenn man regelmäßig die Nachrichten schaut.
Politisch sein fängt auch definitiv nicht erst dann an, wenn man wählen gehen darf und man sich damit auseinandersetzt, wer denn nun die eigene Stimme erhält.
Es fängt im ganz kleinen Umfeld an: Ob wir morgens von unseren Eltern zur Schule gefahren werden oder mit dem Bus oder dem Fahrrad kommen. Ob wir die teure Markenkleidung tragen oder das Geld lieber in nachhaltiger produzierte Kleidung investieren. Ob wir uns für Leute einsetzen, die wegen ihrer Herkunft oder ihrer Religion ausgegrenzt werden oder ob wir bei rassistischen Vorfällen einfach nur tatenlos zusehen.
Es sind schon die kleinsten Entscheidungen zwischen zwei unterschiedlichen Auswahlmöglichkeiten, die uns politisch machen, ohne dass wir es wirklich merken. Wahrscheinlich liegt das daran, dass wir durch solche Entscheidungen keine direkten Auswirkungen auf uns selbst bemerken, doch es bringt der Umwelt etwas, wenn wir auf das Auto verzichten. Wir unterstützen die Arbeit nachhaltiger Unternehmen, wenn wir uns für ein fair produziertes Produkt entscheiden und wir leisten unseren Beitrag für die Zivilgesellschaft, wenn wir uns für andere einsetzen. Sobald wir erkennen, dass wir eigentlich jeden Tag politisch handeln, fällt es uns vielleicht auch leichter, sich für etwas einzusetzen und sich für etwas zu engagieren: Sei es eine Mail an eine:n Politiker:in aus der Region, den:die man auf etwas aufmerksam machen möchte; sei es die Unterschrift unter einer Petition oder die Teilnahme an einer Demonstration. Wenn wir erkennen, wie einfach es sein kann, sich für die eigenen Interessen einzusetzen, dann ist das Thema Politik auf einmal gar nicht mehr so abwegig.
Okay, so weit, so gut – die Frage ist natürlich, wie sich etwas verändern soll, wenn nur eine einzelne Person etwas anders macht. Doch selbst schon die kleinsten Veränderungen oder Ideen können etwas bewirken – vielleicht inspiriert man Freunde dazu, auf unnötiges Plastik zu verzichten und die bewegen wiederum andere dazu, auf ihren Konsum zu achten. Natürlich ist es klar, dass man nicht plötzlich der Bundeskanzlerin höchstpersönlich die eigenen Ideen in einem Gespräch erläutern kann, aber es sind eben schon kleine Dinge, mit denen man mehr oder weniger viele Personen erreichen kann.
Denn um verstehen zu können, wie, wann und wo wir uns am besten für etwas einsetzen können, lohnt es sich, aktuelle Ereignisse zu verfolgen: Was ändert sich aktuell? Was muss sich noch verändern? Was kann ich selbst verändern? Dazu muss man wahrlich kein:e Nachrichtenexpert:in sein oder über alles Bescheid wissen – es reicht, wenn man sich über die wichtigsten Dinge einen Überblick verschafft und sich die Themen raussucht, die einen selbst interessieren oder einen sogar im gewissen Maße selbst betreffen. Das macht es uns auch einfacher, etwas zu finden, wofür wir uns einsetzen können.

Wenn man sich jedoch nur gezwungenermaßen mit aktuellen Themen auseinandersetzt, weil man es muss, um im PoWi-Unterricht mitarbeiten zu können, dann bringt das einem auch nicht viel, denn mal ganz im Ernst: Wer sich für so etwas nicht interessiert, der wird sich auch nicht durch ein hektisch aufgerufenes Tagesschau-in-100-Sekunden-Video kurz vor dem Unterricht in seinem Interesse wirklich umstimmen lassen. Zwar kann uns der Unterricht damit auf die „richtige Spur“ bringen, aber das Interesse an Politik trifft einen eben nicht ganz plötzlich und unvermittelt über Nacht: Man merkt mit der Zeit, für welche Themen man sich interessiert und für was man sich einsetzen kann und möchte.
Die Schule kann uns lediglich helfen, einen Weg zur Beteiligung zu finden und uns auf die Verantwortung aufmerksam machen, dass wir alle etwas verändern und verbessern können. Vielleicht würde es gerade in der Mittelstufe helfen, Diskussionen über politische Themen, für die sich die Schüler:innen auch wirklich interessieren und die sie selbst vorschlagen, zu führen oder die Meinungen, Ängste und Fragen von Schüler:innen bei solchen Themen mehr mit einzubeziehen – anstatt beim Thema „aktuelle Nachrichten“ wirklich nur die Tagesschau der letzten Tage durchzugehen.
Manchmal habe ich Angst davor, dass wir alle vergessen, wie einfach es eigentlich sein kann, sich für etwas einzusetzen: Die Klimakrise, Ungerechtigkeit, häufige Hetze, Gewalt und Rassismus sind besorgniserregende Themen, doch noch besorgniserregender ist, dass nur wenige von uns dagegen vorgehen, auch wenn man es selbst ungerecht findet. Immerhin liegt es an uns allen, diese Verantwortung zu übernehmen und zu handeln.
Wir müssen den Mut haben, etwas verändern zu wollen, wenn uns etwas empört.
Wir müssen selbst aktiv werden, anstatt darauf zu warten, dass andere die Probleme lösen.
Wir müssen zusammenhalten und uns für die Demokratie einsetzen, von der wir alle ein Teil sind.
Denn es liegt an uns als junge und politisch neu heranwachsende Generation, unsere Zukunft mitzubestimmen.
Sophie
Der Artikel gibt ausschließlich die Meinung der Autorin wieder und repräsentiert nicht die Meinung von allen.
Das Bild zum Planspiel stammt aus dem Bildarchiv des Deutschen Bundestages.
Möglichkeiten zum Engagieren
· Sich in der Schülervertretung, der Schülerzeitung oder der Klassengemeinschaft engagieren und einbringen
· Petitionen zu bestimmten Themen unterschreiben oder sogar eine eigene erstellen
· Für einen guten Zweck spenden oder Spenden sammeln
· Engagement in Vereinen
· Diskussionen führen
· Beitritt in eine Jugendorganisation: Die im Bundestag vertretenen Parteien haben alle Jugendorganisationen (Beitritt meistens ab dem 14. Lebensjahr möglich); es gibt aber auch unabhängige Jugendorganisationen. (Liste mit Jugendverbänden)
· Demonstrationen besuchen
· An Planspielen teilnehmen: zum Beispiel das Planspiel „Jugend und Parlament“ im Deutschen Bundestag oder das Planspiel „Wir sind Abgeordnete“ im Hessischen Landtag (Bewerbung von Klassen und Kursen ab der 10. Klasse); Besuch einer Plenarsitzung (auch im Landtag möglich)
· Briefe oder Mails an Abgeordnete aus dem Wahlkreis schreiben
· Freiwilliges Engagement bei gemeinnützigen Organisationen, wie beispielsweise der Tafel