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Sehr geehrter Herr Spahn...

Wenn man nach monatelanger Wartezeit endlich mal einen Termin beim Facharzt bekommt, hat der Arzt oder die Ärztin im hektischen Arbeitsalltag dann doch nur ein paar Minuten für die eigenen Beschwerden Zeit. Und so ist es auch kein Wunder, dass man in den Medien immer häufiger Begriffe wie „Ärztestreik“ oder „Ärztemangel“ hört. Doch was ist eigentlich der Grund dafür?


Wenn eine ungleiche Verteilung zum Verhängnis wird


Von einem Ärztemangel dürfte eigentlich gar nicht die Rede sein: im Jahr 2018 stieg die Zahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte immerhin um fast 2% auf gut 390.000 an – so viel, wie nie zuvor. Allerdings sind diese äußerst ungleichmäßig verteilt: während die Bewohner in Großstädten ärztlich besser versorgt sind, kommt es dagegen in ländlichen Regionen noch schneller zu Engpässen – gerade im Bezug auf Hausärzte. Obwohl die Gesamtzahl an Ärzten ansteigt, nimmt die der Niedergelassenen nämlich immer weiter ab: das bedeutet, dass immer weniger in Arztpraxen arbeiten und so die Chancen vor allem auf dem Land immer geringer werden, zeitnah einen Arzttermin zu bekommen. Zudem werden die Ärzte in diesen Praxen auch immer älter: nur jeder fünfte Hausarzt (bzw. Allgemeinmediziner) ist noch unter 50 Jahre alt und sobald die Übrigen in Rente gehen, wird die Ärztezahl in diesem Bereich noch deutlicher sinken, denn Nachwuchs für sogenannte „Landärzte“ lässt sich nur äußerst schwer finden. Wenn allerdings die Zahl der Patienten mindestens genauso hoch bleibt, bedeutet das, dass die sowieso schon überlasteten Ärzte noch mehr Druck ausgesetzt sein werden [1].


Für schwarze Zahlen muss auch das Personal hinhalten


Schon zurzeit fühlt sich jeder zweite Arzt häufig durch seinen Beruf überlastet und sogar jeder Zehnte gab an, ständig über seine Grenzen zu gehen, was auch verständlich ist. Denn da die Arbeitsbelastung immer größer wird, wird die gewünschte Arbeitszeit so auch Woche für Woche überschritten [2]. Zudem bleibt den Ärzten immer weniger Zeit für ihre Patienten, da sie neben den persönlichen Gesprächen und Untersuchungen auch viel Zeit für die Datenerfassung und Dokumentation aufbringen müssen.

Doch nicht nur Arztpraxen finden immer weniger Nachfolger: selbst 75 % der Krankenhäuser haben Probleme beim Besetzen offener Arztstellen und auch die wirtschaftliche Situation von gerade kleinen Krankenhäusern ist eher mangelhaft. Denn meist sind die Ausgaben höher als die Einnahmen, weshalb solche Krankenhäuser auch nicht mehr allzu lukrativ für Investoren wirken und dennoch müssen die Krankenhäuser versuchen, möglichst wenig Verluste zu machen, worunter natürlich auch das Personal leidet [3]. Unter anderem wanderten im Jahr 2018 fast 2000 Ärzte in das Ausland ab [1], die in Deutschland eigentlich dringend benötigt werden, während etwa 96.000 [4] Studierende für das Fach Humanmedizin eingeschrieben sind und pro Jahr etwa 11.000 von ihnen ihr Studium abschließen [5]. Doch die Anzahl derer, die Medizin studieren wollen, übersteigt das Angebot der Studienplätze um ein Vielfaches: vor allem die Zulassungsbeschränkungen für das Studium in Form des Numerus Clausus (NC) liegen vielerorts im Bereich eines wirklich guten Einser-Abis. Mit einer Änderung im Auswahlverfahren ab dem Beginn diesen Jahres wird allerdings versucht, die Studierenden auch schulnotenunabhängig auszuwählen (beispielsweise über die stärkere Gewichtung von abgeschlossenen Berufsausbildungen, Freiwilligen Sozialen Jahren oder das Ergebnis im Test für medizinische Studiengänge [TMS]).


Doch was muss sich ändern, damit sich die Lage in Zukunft nicht noch mehr verschlechtert?

Über mögliche Lösungsansätze hat sich der PoWi-Grundkurs Gedanken gemacht:


Ein offener Brief an den Gesundheitsminister:


Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister Spahn,


mein Name ist George Mousa, ich bin Schüler der Jakob Grimm Schule in Rotenburg an der Fulda, besuche zurzeit die Q2 und schreibe Ihnen diesen Brief im Namen des Politik- und Wirtschaftskurses von Frau Lindner. Dort haben wir über aktuelle Politik gesprochen und haben den Ärztestreik, welcher zurzeit in über 22 Unikliniken stattfindet, thematisiert. Der Ärztemangel und auch die dazugehörigen nicht bezahlten Überstunden in den Krankenhäusern führen zu einer Überlastung der Arbeitskräfte und dies ist, unserer Meinung nach, eine inakzeptable Situation.


Hierzulande herrscht ein Ärztemangel, in Großstädten wie auch vorrangig im ländlichen Raum. Ein Grund hierfür ist, dass die Gewinne der Kliniken mindestens so hoch sein müssen wie die Ausgaben. Durch diese Vorschrift, schwarze Zahlen zu schreiben, müssen die Kliniken mit dem Personal, welches sie besitzen, zurechtkommen, wodurch die Ärzte und auch das Pflegepersonal gezwungen sind, nicht bezahlte Überstunden zu machen. So kommt es, laut Aussage der streikenden Ärzte, oft dazu, dass sie anstatt der zum Beispiel vereinbarten 40 Stunden pro Woche 60 Stunden arbeiten, aber nur 40 Stunden bezahlt bekommen.


Wir Schüler kamen mit der Lehrerin zusammen zum Entschluss, dass die Senkung des Numerus clausus für den Medizinstudiengang ein möglicher Lösungsansatz sei. Voraussetzung hierfür wäre jedoch eine Erhöhung der Studienplätze für den Studiengang ,,Medizin“. Durch die Senkung des Numerus clausus würde es zu einer erhöhten Anzahl von Bewerbungen von Studenten für den Medizinstudiengang kommen, gleichzeitig würden mit der Erhöhung der Studienplätze auch mehr angenommen werden. Auch wenn nicht alle Medizinstudenten später Ärzte werden, würde dies zu einer Erhöhung der Ärztezahl führen. Gleichzeitig jedoch müsste man staatliche Subventionen an Klinken vergeben, damit diese auch neue Arbeitskräfte einstellen können.


Heutzutage dürfen die Krankenhäuser nicht Verluste machen, sondern sind gezwungen Gewinne zu machen oder wenigstens keinen Verlust. Durch die Subventionen würde die Klinikleitung ein höheres Budget haben, mit dem sie mehr Personal einstellen könnte. Deutsche Ärzte, die wegen lukrativer Angebote ins Ausland auswandern, würden in Deutschland bleiben. So würde es zu einer klaren Verbesserung der Situation kommen, da man mehr Ärzte hätte, die man mit dem höheren Budget bezahlen könnte.


Hinzuzufügen ist, dass man auch gezielt Ärzte aus dem Ausland einstellen könnte. Dies würde ebenfalls zu einer steigenden Anzahl an Ärzten in Deutschland führen.


Wie bereits erwähnt, herrscht vor allem im ländlichen Gebiet ein Ärztemangel. Das liegt vor allem daran, dass den Investoren der finanzielle Aspekt am wichtigsten ist. Sie bauen daher die Kliniken in den Großstädten. Ein Lösungsvorschlag hierfür wäre, dass man im ländlichen Raum staatliche Subventionen verteilen könne. Dadurch würde es mehr Kliniken im ländlichen Raum geben und dies würde dem Ärztemangel entgegenwirken.


Mein gesamter Kurs und ich würden uns freuen, wenn Sie diese Verbesserungsvorschläge durchlesen würden, möglicherweise können Sie etwas tun, um die jetzige Situation in den Klinken zu verbessern. Denn wir, die deutschen Bürger, wollen nicht von einem Arzt behandelt werden, der schon drei Nachtschichten hintereinander gehabt hat. Denn Ärzte sind auch nur Menschen und nach einer so langen Arbeitszeit verlieren sie auch die Konzentration und so können Fehler vermehrt auftreten.


Mit freundlichen Grüßen George Mousa und der Politik- und Wirtschaftskurs von Frau Lindner

 

Den Brief erhielten wir schon Mitte Februar. Wegen der kritischen Situation rund um das Corona-Virus haben wir das Thema noch ein wenig aufgeschoben und bis zu einem Zeitpunkt gewartet, an dem sich die Situation etwas beruhigt hat.


Vielen Dank an George und den PoWi-GK für den Brief!

[1] Bundesärztekammer [2] Marburger Bund Umfragen [3] Krankenhaus Barometer Umfrage 2019 [4] Statistisches Bundesamt [5] Hochschulrektorenkonferenz

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