Meinung
Der neue Follower auf Instagram – schnell nachschauen, um wen es sich handelt.
Der neue Snap – direkt öffnen und zurücksnappen.
Die neue Nachricht auf WhatsApp – kurz antworten, dauert ja nicht lang.
Wenn das Smartphone vibriert, ertönt oder aufleuchtet, können wir meist nicht lang damit warten, nachzuschauen, was es Neues gibt: immerhin sind wir neugierig, wollen immer auf dem neuesten Stand sein und es wäre für uns unvorstellbar, irgendetwas zu verpassen, nur wenn wir mal kein Netz haben oder das Smartphone ausgeschaltet sein muss. Vielleicht ist es auch gar nicht schlecht, immer erreichbar zu sein, denn schließlich könnte jederzeit etwas Wichtiges passieren – oder? Ist das alles überhaupt noch real?
„Ich habe nie den Sinn darin gesehen, mich da anzumelden.“

Wenn ich persönlich an mein „erstes richtiges“ Smartphone aus der fünften oder sechsten Klasse zurückdenke, kommt mir als erstes WhatsApp als wichtigstes soziales Netzwerk in den Sinn: wie wir uns dort gegenseitig komische Kettenbriefe schickten, hirnlose Konversationen führten (Stichwort: „wg?“ oder „wmds?“) oder uns Schlumpfvideos sendeten, deren Witze allerdings auch nur so halb lustig waren. WhatsApp blieb zwar weiterhin wichtig, doch je älter ich wurde, umso öfter stolperte ich über Facebook, Snapchat, Instagram und CO – nur dass ich nie dort angemeldet war. Warum? Weil ich nie das Bedürfnis danach hatte. Zwar kannte ich Instagram von den Erzählungen anderer, aber ich habe nie den Sinn darin gesehen, mich da anzumelden. Die meisten Leute aus meinem Umfeld kenne ich doch eh persönlich, wieso sollte ich denen dann noch auf Instagram folgen? Und die wenigen Konten, die für mich interessante Inhalte erstellen, sind meistens öffentlich, sodass ich nicht unbedingt bei Instagram angemeldet sein muss. Sicherlich kann man mir jetzt vorwerfen, dass ich über etwas urteile, was ich eigentlich gar nicht richtig kenne, doch bisher habe ich auch ohne Instagram überlebt - also kann es auch weiterhin so bleiben.
Warum sich andere dort anmelden? Das hat wahrscheinlich die unterschiedlichsten Gründe – nur nicht unbedingt alle davon kann ich auch nachvollziehen. Mittlerweile habe ich allerdings auch verstanden, dass es unterschiedliche Nutzertypen gibt. Um es vereinfacht zu sagen: es gibt die Aktiven, die regelmäßig Fotos, Videos und Stories posten; die Passiven, die eigentlich nur da sind, um zu gucken, was die anderen so posten und die, die irgendwo zwischen den beiden Typen liegen.
Klar, über soziale Netzwerke lässt es sich bequem mit anderen kommunizieren, man kann am Leben der anderen teilhaben oder durch neue Ideen inspiriert werden. Gerade Letzteres wird zumeist viel zu sehr unterschätzt: neben den ganzen Privatpersonen gibt es auch Organisationen, Projekte oder andere Personen, die auf wichtige Dinge aufmerksam machen wollen und sich für etwas einsetzen. Denn mal ganz im Ernst: was wollen wir mit den atemberaubenden Landschaftsbildern aus dem letzten Urlaub, dem Post vom leckeren Essen beim Italiener vom Sonntag oder dem süßen Pärchenbild vom letzten Wochenende eigentlich bewirken? Warum teilen wir unser Leben mit so vielen anderen, anstatt die Bilder und die Erinnerungen für uns selbst zu behalten? Nur, damit die anderen sehen, wie toll das eigene Leben ist und wo man zuletzt war, um dann bewundert werden zu können? Wo ist da der Sinn?
„Wann beginnen wir, stattdessen wieder in der realen Welt zu leben?“

Vor allem Instagram ist diesbezüglich auf die Anzahl von Likes und Followern ausgerichtet – je höher die Zahlen sind, umso mehr pusht das unser Ego. Und das veranlasst uns dazu, mehr Posts zu erstellen, die den anderen auch gefallen könnten. Dann wird eben bearbeitet, gefiltert und Photoshop eingesetzt, bis am Ende das eigentliche Bild vollkommen anders aussieht - und jetzt wartet man nur noch darauf, dass alle anderen ihre virtuellen Likes verteilen und ihre herzlichen Kommentare unter dem Beitrag lassen. Doch was von alldem ist überhaupt noch echt? Die Beiträge, die Likes, die Kommentare? Der Grat zwischen einem Foto, das man hochlädt, weil es einem selbst gefällt, und einem Foto, das man hochlädt, damit es den anderen gefällt, ist sehr schmal. Wann hören wir also auf, unser Leben auf die sozialen Medien auszurichten? Wann beginnen wir, stattdessen wieder in der realen Welt zu leben?
Immer online?
Auch wenn es auf WhatsApp weder direkt um Likes noch um Kommentare geht, müssen wir auch dort immer möglichst schnell erreichbar sein – einerseits könnten wir auch hier schnell etwas verpassen oder unser Gegenüber möchte eine möglichst schnelle Antwort (jeder und jede wurde sicherlich schon ein Mal zugespammt, nur damit möglichst schnell eine Antwort zurückkommt). Aber müssen wir selbst im digitalen Zeitalter immer und überall erreichbar sein?
Nein, eigentlich nicht. Mein Smartphone ist eigentlich rund um die Uhr auf stumm geschaltet, was auch nicht von Anfang an so war. Gerade als ich noch jünger war, habe ich nach jeder Benachrichtigung das Handy entsperrt, um zu gucken, woher die Neuigkeit kommt. Mittlerweile entscheide ich jedoch selbst, wann ich am Handy sein möchte und wann nicht – nicht mein Handy, auf dem sich mehr oder weniger wichtige Benachrichtigungen anhäufen. Die Leute, die mir dann also schreiben, können sich auf etwas längere Wartezeiten einrichten, aber irgendwann kommt dann doch noch eine Antwort zurück. Auch tiefgründige oder langanhaltende Chats sucht man bei mir mittlerweile vergeblich: man findet höchstens nur noch die nötigsten Nachrichten, um in Gruppen Organisatorisches zu klären, schulische Dinge zu besprechen, hier und da ein GIF oder einen Sticker und sonst nicht wirklich viel - das reicht nämlich schon voll und ganz aus.
Wenn man sich vor Augen führt, wie viele Stunden wir täglich am Smartphone verbringen und wie viel Zeit wir davon in Sozialen Netzwerken unterwegs sind, um zu erfahren, was all die anderen so machen und posten, dann ist das teilweise so viel Zeit, die wir auch mit nützlicheren Sachen verbringen könnten. Was nützlicher ist, muss dabei natürlich jeder und jede für sich selbst entscheiden – aber eines ist klar: es gibt definitiv nützlichere Dinge, als täglich virtuelle Likes zu verteilen und sich realitätsferne Postings anzusehen.
Und wer schon mal überlegt hat, eine Pause von einigen Sozialen Medien einzulegen, sollte das auf jeden Fall ausprobieren: denn erst dann fällt uns auf, wie viel Zeit uns auf einmal zur Verfügung steht, wenn wir nicht mehr durch unseren Instagramfeed wischen und uns die zahlreichen Statusmeldungen auf WhatsApp ansehen – und wie schwierig es eigentlich ist, nicht regelmäßig WhatsApp, Instagram und CO zu öffnen.
Genau der Punkt, dass es vielen von uns schwerfallen wird, auf so etwas Selbstverständliches zu verzichten oder zumindest die Nutzung davon einzuschränken, sollte uns allen die Augen öffnen: Man kann ohne Soziale Medien leben, aber nicht, wenn man sein Leben schon längst davon abhängig gemacht hat.
Sophie
Der Artikel gibt ausschließlich die Meinung der Autorin wieder und repräsentiert nicht die Meinung von allen.
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Ergänzung aus dem Juli 2021: Mittlerweile habe ich einen Instagram-Account, der vor allem als Test-Account für Posts der Schülerzeitung genutzt wird. Daher nehme ich auch keine anderen Follower:innen an. Ansonsten folge ich keinen Privatpersonen, sondern vielen Politiker:innen, Organisationen und anderen Konten, deren Arbeit ich verfolge. Allerdings muss man aber auch anmerken, dass sich meine durchschnittliche Bildschirmzeit seit dem Herunterladen von Instagram deutlich erhöht hat - gut, dass es mittlerweile App-Timer gibt...