2,8 Millionen junge Menschen dürfen bei der kommenden Bundestagswahl zum ersten Mal wählen – wir haben mit zwei von ihnen gesprochen.
In wenigen Tagen ist es so weit: Etwa 60,4 Millionen wahlberechtigte Menschen dürfen zur Bundestagswahl am 26. September ihre Stimme abgeben. Für 2,8 Millionen unter ihnen wird diese Wahl etwas ganz Besonderes sein – denn sie sind Erstwähler:innen und dürfen damit zum ersten Mal an der Wahl zum Deutschen Bundestag teilnehmen. Mit 4,6 Prozent ist der Anteil der Erstwählerinnen und Erstwähler in Bezug auf alle Wahlberechtigten zwar relativ gering, aber ihre Stimme und ihr politisches Engagement auch abseits von einer Wahl ist immens wichtig, um die politische Zukunft Deutschlands mitzugestalten. Doch bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2017 waren es die jungen Altersgruppen, die die geringste Wahlbeteiligung im Vergleich zu allen weiteren Gruppen aufwiesen: Etwa 69,9% der 18- bis 20-Jährigen gingen wählen, von den 21- bis 24-Jährigen waren es sogar nur 67%. Die insgesamte Wahlbeteiligung lag bei dieser Wahl bei 76,2%.
Wir haben mit zwei Schülerinnen darüber gesprochen, warum es wichtig für sie ist, wählen zu gehen, wie sie sich über Politik informieren und was zu ihrer Wahlentscheidung beigetragen hat. Die beiden durften bereits auf kommunaler Ebene wählen, werden aber in diesem Jahr erstmals ihre Stimme zur Wahl des Deutschen Bundestages abgeben.
Warum geht ihr denn eigentlich wählen?
Marie*: Ich finde, es ist auch meine Verantwortung, zu sagen, was ich möchte und so mitzubestimmen. Wenn niemand wählen gehen würde, würde das Ganze ja auch nicht funktionieren.
Fariha: Ich möchte unserem Staat helfen und finde es deshalb umso wichtiger, dass auch wir jungen Menschen wählen gehen.
Und wie fühlt es sich an, nun wählen zu dürfen?
Marie: Es ist schon irgendwie komisch. Vor allem, wenn du zum Beispiel siehst, dass am Ende derjenige gewonnen hat, den du selbst gewählt hast.
Ich habe ja schon bei der Kommunalwahl mitgemacht und eigentlich ist das ganz interessant.
Fariha: Ich habe auch bereits bei Kommunalwahlen teilgenommen und war schon aufgeregt, weil ich auch nicht wirklich wusste, wen ich wählen sollte. Nachdem ich mich dann ausreichend informiert hatte, war das aber kein Problem mehr.
Ich bin auch einfach froh, dass ich überhaupt wählen darf und den Parteien helfen kann, die ich unterstützen möchte.
Wie und wo informiert ihr euch über Politik?
Marie: Hauptsächlich über das Internet. Ich habe mich durch den Wahl-O-Mat informiert und außerdem hatten wir im letzten Jahr im PoWi-Unterricht eine Übersicht über die verschiedenen Parteien erstellt. Das habe ich mir nochmal angesehen, weil ich mir nicht mehr ganz sicher war, für welche Themen die jeweiligen Parteien stehen.
Fariha: Meistens durch das Internet. Mein Vater berät mich aber auch in Bezug auf meine Entscheidung. Er hat früher in Pakistan gelebt und kennt den großen Unterschied zwischen dem Wahlrecht dort und hier. Das ist auch einer der Gründe, warum er so dankbar ist, hier leben zu dürfen.
In Pakistan hat nicht jede Stimme den gleichen Wert: Leute, die höher stehen, haben auch ein höheres Stimmrecht. Das ist hier anderes und darüber bin ich auch sehr froh.
Welche Themen sind euch bei der Wahlentscheidung besonders wichtig?
Marie: Ich mache mir vor allem darüber Sorgen, dass Deutschland so verschuldet ist… Obwohl ich mir auf der anderen Seite wiederum keine Sorgen mache, weil ich denke, dass wir die Schulden sowieso nie wieder abbauen können (lacht). Aber Klimaschutz oder Digitalisierung sind auf jeden Fall auch wichtige Themen. Vor allem aber Soziales. Es sollten vor allem die Menschen unterstützt werden, denen es schlecht geht, damit diese nicht hinten runterfallen.
Fariha: Die Partei, die ich wähle, sollte uns alle unterstützen und geflüchtete Menschen gut behandeln. Gleichzeitig empfinde ich aber auch das Thema des Klimawandels als wichtig, weil es vor allem uns Jugendliche in Zukunft begleiten wird.
Habt ihr bereits den Wahl-O-Mat o.ä. gemacht?
Marie: Dieses Jahr noch nicht. Ich habe aber den „Wahl-Kompass“ gemacht. Bei dieser Website fand ich vor allem gut, dass man sich angucken konnte, wie die einzelnen Parteien geantwortet haben und auch, wie sie ihre Antwort begründen.
Fariha: Ich habe zusammen mit meinem Vater etwas ähnliches gemacht. Allein aber noch nicht.
Wisst ihr bereits, wen ihr wählen werdet?
Marie: Nein, ich weiß es nicht. Es ist schon eine schwierige Entscheidung.
Fariha: Ich schwenke zwischen den Grünen und der CDU. Es ist echt schwierig, weil man nicht wirklich wissen kann, ob man die richtige Entscheidung trifft. Hinterher sieht man schließlich erst, ob es eine gute oder eine schlechte Wahl war.
Hat euch die Personalisierung* durch die Kanzlerkandidatur sehr beeinflusst?
Marie: Nein. Ich habe bisher eher nur allgemein geguckt, wofür die einzelnen Parteien stehen.
Fariha: Eigentlich nicht. Ich schaue meist die Partei als Ganzes an und orientiere mich nicht sehr stark an Personen.
Sprecht ihr denn auch mit euren Freund:innen oder eurer Familie über Politik?
Marie: Mit meiner Familie ein bisschen, aber auch nur ansatzweise. Wenn wir zum Beispiel zusammen Nachrichten gucken, diskutieren wir auch manchmal darüber. Aber das ist schon eher selten.
Fariha: Mein Vater bringt mich und meine Geschwister generell nah an die Politik heran und mit ihm reden wir auch viel darüber. Viele aus meiner Familie leben auch in anderen Ländern und es ist manchmal ziemlich verwirrend, wie unterschiedlich Politik auf der ganzen Welt sein kann.
Fühlt ihr euch durch den Schulunterricht der letzten Jahre gut auf eine solche Entscheidung vorbereitet?
Marie: Ja, eigentlich schon. Obwohl ich sagen muss, dass man sich noch mehr damit hätte beschäftigen können. Wählen ist schließlich etwas, womit jeder am Ende konfrontiert wird. Also ich hätte mir vielleicht gewünscht, dass man nochmal schaut, wie es wirklich funktioniert oder dass man vielleicht sogar selbst mal eine Wahl im Unterricht durchführt.
Fariha: Eigentlich schon. Unsere Lehrerschaft hat uns viel beigebracht, was hilfreich in Bezug auf eine solche Entscheidung sein kann.
Empfindet ihr es als wichtig, dass wir Jugendliche uns bereits jetzt mit Politik beschäftigen sollten?
Marie: Schon. Die Jugend muss ja auch lernen, wie man sich eine gute Meinung bildet, um wählen gehen zu können.
Fariha: Auf jeden Fall - es ist schließlich auch unser Leben. Wir leben ja noch lange und tragen dann auch die Verantwortung für unsere Nachfolgegeneration.
Gibt es etwas, was ihr an der aktuellen Politik kritisiert?
Marie: Also aktuell ist ja hauptsächlich Corona ein Thema in der Politik. Und da muss ich sagen, dass ich diese indirekte Impfpflicht nicht so gut finde, weil die Menschen schon selbst entscheiden sollten, was sie machen.
Fariha: Bis jetzt habe ich nichts zu kritisieren.
Was sind die großen Zukunftsfragen, welche die Politik jetzt anpacken muss?
Marie: Das Erste, was mir dazu einfällt, wäre natürlich der Klimaschutz. Aber ich habe vorhin auch schon erwähnt, dass Deutschland erstmal schauen sollte, wie es mit den neuen Schulden umgeht. Auch Corona wird sicherlich weiterhin ein wichtiges Thema bleiben.
Fariha: Auf der einen Seite müssen die Älteren unterstützt werden, auf der anderen Seite aber auch die Jugendlichen. Man muss für alle eine gesicherte Zukunft ermöglichen können.
Was würdet ihr abschließend einem Nichtwähler oder einer Nichtwählerin mitgeben wollen?
Marie: Ich kann es in gewissem Maße auch nachvollziehen, wenn man nicht wählen geht, weil man Angst hat, das Falsche zu wählen. Wenn jedoch alle Nichtwähler ihre Stimme abgeben würden, hätte dies sicher eine große Auswirkung auf das Ergebnis.
Ich weiß, dass sich manche Leute aus einer solchen Entscheidung raushalten wollen, weil sie denken, dass sich sowieso nichts bessern wird. Es ist aber genau andersherum: Wenn man nichts tut, wird sich natürlich nichts bessern. Wenn man aber etwas tut und wählen geht, dann kann man auch etwas verändern.
Fariha
Das Interview führten Johanna, Laura und Victoria.
* Marie heißt eigentlich anders, möchte aber anonym bleiben.
* Eine einzelne Person steht deutlich im Vordergrund, wobei Sachthemen eher in den Hintergrund rücken.